Der 7. STÄDTE-STAU-CHECK: Weniger Verkehrsfluss – Deutschland verstaut immer mehr
Theorie meets Praxis. Deutschland ist im Klimafieber. Und trotzdem kaufen die Menschen mehr Autos und sind mehr unterwegs. Die Folge: Der Stau in Deutschland und Deutschlands Städte nimmt zu. Doch anstatt sinnvolle Lösungen anzubieten, wird Mobilität behindert oder gleich zerstört. Besonders spürbar ist dieses Phänomen in den Ballungszentren der Republik. Für einen Pendler können das schnell mal 120 Staustunden im Jahr sein. Das sind drei Wochen Arbeitszeit. Unannehmbar. Und die Politik kommt leider mit vielen falschen Rezepten, anstatt bezahlbare, praktikable und nachhaltige Lösungen anzubieten. Für Autofahrer, Anwohner und Umwelt zugleich. Denn Verkehrsfluss trägt gleichzeitig auch zum Klimaschutz bei!
Zum siebten Mal werten wir den TomTom Traffic Index aus und bewerten ihn für die Verkehrspolitik der Städte. Grundlage dieses Vergleichs ist das umfangreiche Datenmaterial des Location Technology Spezialisten TomTom. Den vollständigen Index für das Jahr 2018 finden Sie unter www.tomtom.com/traffic-index.
Insgesamt wurde die Verkehrsbelastung weltweit in 403 Städten gemessen. Für unseren Städte-Stau-Check haben wir diesmal zehn Städte ausgewählt und ausgewertet: Berlin, Bremen, Bonn, Dresden, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Nürnberg und Stuttgart.
Wie immer haben wir uns gefragt, welche Städte Autofahrern besonders viel zumuten? Wo schafft man leistungsfähige Infrastruktur und fördert den Verkehrsfluss? Und wo betreibt man autofeindliche Politik mit schikanöser Mängelverwaltung und lässt Autofahrer im Stau stehen?
Die TOP-STAU-STÄDTE 2018 in Deutschland:
Dieses Ranking basiert auf dem TomTom Traffic-Index, der ausdrückt, wie sich die Fahrtzeit in einer Stadt aufgrund von Stau und Verkehr im Schnitt verändert. Die Prozentangaben sind dabei die Mittelwerte, die 24/7 d.h. für 24 Stunden an 7 Tagen auf ein komplettes Kalenderjahr bezogen sind. Es wurden also auch nahezu staufreie Fahrten bei Nacht oder an bestimmten Feiertagen erfasst. Das bedeutet, dass zu Stoßzeiten im Berufsverkehr höhere Durchschnittswerte vorliegen.
Zur Wertung haben wir klassische Schulnoten verteilt: Die Note 1 hätte es bei einem Stau-Level von max. 18% gegeben. Note 2 gab es bis 21%, Note 3 bis 24%, Note 4 bis 27% und Note 5 bis 30%. Note 6 wurde bei einem Verkehrs-Index von 31% und größer vergeben.
Im Folgenden werfen wir einen genaueren Blick auf die Stau-Ergebnisse der einzelnen Städte:
HAMBURG – Stau-Level 33%:
Wie im Vorjahr ist Hamburg Deutschlands Stauhauptstadt. Die Hansestadt legt um einen Prozentpunkt zu und steht damit weiterhin an der Spitze in der bundesweiten Stau-Rangliste. Nichts, worauf man stolz sein könnte. Da kann man nur hoffen, dass der Trend im kommenden Jahr wieder nach unten geht.
Die Verkehrsbelastung ist vor allem während des morgendlichen und abendlichen Berufsverkehrs sehr hoch: So lag das Stau-Niveau morgens im Wochendurchschnitt bei 54 Prozent, abends bei 59 Prozent. Ein Pendler, der täglich etwa 60 Minuten unterwegs ist, verliert dementsprechend im Mittel 34 Minuten und 113 Stunden im Jahr. Die Hauptstauzeiten sind Montagmorgen und Freitagnachmittag. Schlimmster Stautag war der 26. April 2018.
Hamburg bekommt den Stau nicht in Griff. Dafür gibt es mittlerweile einige Fahrverbote, die die Straßen noch mehr verstauen lassen. Tanker mit Schweröl dürfen rein, Autos müssen raus oder in den Stau. Dafür kann es nur die Note 6 geben. Schlechter geht’s nicht. Klassenziel nicht erreicht.
BERLIN – Stau-Level 31%:
Die Hauptstadt verschlechtert sich in der Rangliste um einen Platz. Das Staulevel steigt um 1% und damit sichert sich Berlin den zweiten Platz hinter Hamburg. Wenn Berlin so weitermacht, hat es Hamburg bald eingeholt. Am Donnerstagabend und Montagmorgen staut es sich hier weiterhin am meisten. Am Freitagmorgen und Montagabend sind die Straßen dagegen relativ frei.
Zur Rush-Hour verliert ein Pendler durchschnittlich 31 Minuten täglich bei einer Stunde Fahrzeit und steht damit etwa 103 Stunden im Jahr im Stau. Top-Stautag war Dienstag, der 13. November 2018.
Auch Berlin diskutiert über Fahrverbote. Die Stadt wächst und macht den Autofahrern das Leben schwer. Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat von Mobilität wenig bis gar keine Ahnung. Klassenziel ebenfalls nicht erreicht. Auch für Berlin gibt es die Note 6.
NÜRNBERG – Stau-Level 30%:
Um ganze vier Plätze und vier Prozent hat sich die fränkische Metropole im Ranking verschlechtert und ist damit jetzt in den Top 3 mit einem Wert von 30% vertreten. Maßgeblich verantwortlich dafür ist sicherlich auch der Ausbau der A73. Erst 2021 sollen alle Arbeiten beendet sein. Donnerstagabend staut es sich hier am meisten. Wir gehen davon aus, dass sich das in Nürnberg nach Fertigstellung des Bauabschnittes wieder deutlich beruhigt.
32 Minuten verliert der Pendler durchschnittlich im täglichen Berufsverkehr. Am schlimmsten war es am Mittwoch, den 9. Mai 2018. Grund dafür war das verlängerte Wochenende durch Christi Himmelfahrt.
BREMEN – Stau-Level 30%:
Bremen springt von Platz 10 auf Platz 4 und ist mit einer Verschlechterung von 5 Prozentpunkten im Stau-Level einer der größten Verlierer in der Bewertung. Allerdings sind auch hier Baumaßnahmen auf der A1 die Hauptursache für die Stauzunahme und die Hansestadt wird nächstes Jahr hoffentlich wieder besser dastehen.
Donnerstagabend und Freitagnachmittag sind hier die Straßen am häufigsten verstopft. 30 Minuten müssen Berufspendler täglich bei 60 Minuten Fahrzeit während der Rush-Hour einbüßen. Top-Stautag 2018 war auch hier Mittwoch, der 9. Mai.
STUTTGART – Stau-Level 30%:
Stuttgart ist auch 2018 wieder in den Top 10 dabei und gehört zu den Dauerverlierern in diesem Ranking. Die Stadt im Schwabenland belegt diesmal den 5. Platz in der Rangliste. Ein Pendler, der am Tag einen 60-minütigen Arbeitsweg hat, braucht hier während der Rush-Hour 32 Minuten länger als bei fließendem Verkehr. Das sind aufs Jahr gerechnet rund 106 Stunden. In Stuttgart sind Autofahrer seit Jahrzehnten unter Druck und seit letztem Jahr noch mehr die Dieselfahrer. Fast die ganze Stadt ist seit Beginn des Jahres für viele Dieselfahrer gesperrt.
Die schlimmsten Stauzeiten sind in Stuttgart der Dienstagmorgen und Donnerstagabend. Top-Stautag 2018 war Donnerstag, der 11. Oktober.
MÜNCHEN – Stau-Level 30%:
Die bayerische Landeshauptstadt verschlechtert sich um zwei Prozentpunkte und erreicht dadurch die 30%-Marke. Sie bestätigt damit das tägliche Bild auf Münchens Straßen: Stau, soweit das Auge reicht. Tendenz deutlich steigend. Natürlich sind auch hier die Ursachen vielfältig. Ein fehlender Autobahnring, schlechte städtische Koordination, viel zu viel Parksuchverkehr, zu wenige Park & Ride und keine „Grüne Welle“ sind vermutlich ein paar der entscheidenden Faktoren. München hat aber noch nicht einmal belastbare Zahlen, sondern agiert viel aus dem „Bauch heraus“ und ideologiegetrieben. Es ist überhaupt kein „Gesamtverkehrskonzept“ vorhanden. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass zumindest für Dieselfahrer keine „Fahrverbote“ drohen.
Höchstes Verkehrsaufkommen ist am Montagmorgen und Donnerstagabend. Ist man während der Rush Hour 60 Minuten unterwegs, verliert man 34 Minuten täglich. Aufs Jahr gerechnet muss ein Berufspendler daher mit 113 Stunden Verzögerung rechnen. Auch hier war Mittwoch, der 9. Mai 2018 Stautag Nr. 1.
BONN – Stau-Level 27%:
Bonn erkämpft sich mit 27% knapp die Note „Ausreichend“ und landet damit immerhin auf den besseren Plätzen unseres Städte-Rankings. Dennoch ist auch Bonn leicht abgefallen und verliert um 2 Prozent gegenüber 2017.
Die meiste Geduld braucht man hier im Allgemeinen am Dienstag-, Mittwoch-, und Donnerstagabend. Am besten geht’s dagegen am Freitag vorwärts. 32 Minuten verliert ein Berufspendler durchschnittlich täglich im Berufsverkehr bei einstündiger Fahrt. Das höchste Verkehrsaufkommen wurde am Mittwoch, den 14. November 2018 gemessen.
FRANKFURT AM MAIN – Stau-Level 26%:
Die Bankenmetropole verbessert sich um zwei Plätze, das Stau-Niveau von 26% bleibt aber das gleiche. Die bessere Platzierung hängt also vorrangig mit der Verschlechterung anderer Städte zusammen als mit einer Verbesserung der verkehrlichen Situation Frankfurts.
Die schlimmsten Stautage sind hier Mittwochmorgen und Donnerstagabend. Die besten Fahrzeiten dagegen sind Freitagmorgen und Montagabend. Ein Pendler, der täglich etwa 60 Minuten zu den Stoßzeiten unterwegs ist, verliert im Mittel 31 Minuten und muss rund 103 Stunden Verzögerung pro Jahr miteinplanen. Top-Stautag 2018 war Freitag, der 13. April.
DRESDEN – Stau-Level 26%:
Die sächsische Landeshauptstadt verschlechtert sich um zwei Prozentpunkte und dringt damit 2018 in die Top 10 ein.
Am schlimmsten geht es dabei am Montag- und Dienstagabend zu. Als Pendler verliert man hier bei einer einstündigen Fahrt im Schnitt 27 Minuten. Der Top-Stautag war hier Montag, der 16. April.
KÖLN – Stau-Level 25%:
Die Stadt am Rhein zählt dieses Mal zu den wenigen Gewinnern des Städte-Stau-Checks. Im Vergleich zum Vorjahr sinkt das Stau-Level von Köln um ein Prozentpunkt. Hier kann man sehen, welchen Effekt die Baustellenauflösung auf der A3 hatte. Die Rhein-Metropole verbessert sich von Platz 8 auf Platz 10.
Die Haupt-Stauphasen sind in Köln der Montagmorgen und Mittwochabend. Am Montagabend und Freitagmorgen dagegen geht es um einiges flüssiger voran. Durchschnittlich 28 Minuten muss ein Pendler während der Rush-Hour zusätzlich bei einer eigentlichen Fahrzeit von 60 Minuten am Tag einbüßen. 93 Stunden Verzögerung fallen damit pro Jahr für einen Berufspendler an. Am Mittwoch, den 31. Oktober 2018 wurde der Top-Stautag in Köln festgestellt.
Das Ergebnis des 7. Städte-Stau-Checks:
Deutschland verstaut mehr und mehr. Der Trend der letzten Jahre setzt sich fort. Fast alle Städte verschlechtern sich beim Stau und Verkehrsfluss um ein bis zwei Prozentpunkte. An der Spitze unseres Stau-Rankings stehen wieder Deutschlands größte Städte Hamburg und Berlin. Es folgen Nürnberg und Bremen, die sich aber eher aufgrund einiger riesiger Baustellen einreihen und sich alsbald wieder verbessern dürften. Stuttgart und München folgen auf den weiteren Plätzen. Beide nur mit mangelhaft und einem Stau-Level von 30%.
Gewinner gibt es in diesem Jahr nicht wirklich. Am ehesten könnten man noch für Köln einen Hoffnungsschimmer finden. Ansonsten nimmt der Trend zu mehr Stau in Deutschlands Städten unaufhaltsam zu. Hier muss die Politik dringend handeln und in die Infrastruktur investieren.
Lösungsvorschläge gegen Stau in Städten:
Autos zu verbieten ist sicher keine Lösung und widerspricht auch eklatant dem Kaufverhalten und Mobilitätsverständnis der Menschen. Es gibt nicht DIE eine Lösung, sondern es muss ein Mix sein, der weniger Stau, bessere Luft und mehr Lebensqualität in Städten gewährleistet. Und es ist möglich.
1. Infrastruktur erhalten, erweitern und neu bauen: Auch wenn es einigen Politiker nicht gefällt, die Menschen sind mehr mit ihren Autos unterwegs denn je. Und auch der Güterverkehr nimmt eklatant zu. Deutschland wird um weitere Baumaßnahmen wie leistungsfähige Autobahnen, Ringstraßen oder innerstädtische Tunnel nicht herumkommen.
2. ÖPNV ausbauen: Gerade Ballungszentren haben das Problem, dass der öffentliche Nahverkehr völlig unzureichend geplant und gebaut wurde. Wenn es einen Shift vom Auto auf den ÖPNV geben soll, dann muss dieser attraktiv und leistungsfähig sein. Das ist fast in keiner Stadt der Fall.
3. Ideologie fernhalten: Es bringt ganz und gar nichts, bestehende Infrastruktur zu shiften, wie das in Berlin, Hamburg oder München geschieht. Dem Auto als Verkehrsträger Nr. 1 (in Städten liegt die Verkehrsleistung bei ungefähr 50%) nehmen und dann einem saisonalen Verkehrsträger wie dem Fahrrad (Verkehrsleistung bei 3% in Städten) geben – Das klingt nur ökologisch und gesund, bewirkt aber genau das Gegenteil.
4. Ein Tag pro Woche Homeoffice: Andere Länder machen es vor. Holland zum Beispiel. Hier gibt es sogar ein Gesetz, das bindend ist. Einen Tag die Woche haben die Holländer das Recht auf Homeoffice. Die Arbeitsleistung muss natürlich erbracht werden, aber nicht mehr in der Firma alleine. Was einen Vorteil für den Arbeitnehmer bedeutet, ist auch ein Vorteil für die Gesellschaft. Das würde nämlich 20% weniger Verkehr bedeuten und damit sowohl den öffentlichen Nahverkehr als auch das Straßennetz deutlich entlasten. So wie wir das heute schon von den Ferien kennen.
Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V. nimmt wie folgt Stellung: „Stau ist aus dem alltäglichen Stadtbild nicht wegzudenken. Leider. Für Mobilität und funktionierende Infrastruktur muss eben auch etwas getan werden. Und das hat man in den letzten Jahrzehnten ganz einfach verschlafen. Autos und Verbrenner werden zwar sauberer, Elektromobilität nimmt zu. All das nutzt aber nichts, wenn die Infrastruktur schlechter und sogar weniger für das Verkehrsmittel Nr. 1, das Auto, wird. Die reine Förderung des Radverkehrs in Städten wie München ist keine Lösung, sondern ein ernstes Problem, wenn man nur noch auf ein saisonales Verkehrsmittel mit 3% Verkehrsanteil setzt und sowohl beim Auto als auch beim ÖPNV weit hinterherhinkt. Die Menschen wollen unabhängig, flexibel und schnell unterwegs sein und dazu gehört eben auch das Auto. Und das wird sich so schnell auch nicht ändern, wenngleich es in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal anders rüberkommt.“