Interview mit Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, zu Mobilität, Tempolimit, Fahrverbote und E-Fuels
Christian Linder, Bundesvorsitzender der Freien Demokraten (FDP), im Interview mit Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V. Der FDP-Chef stellt sich in der neuesten Ausgabe des Mobil in Deutschland-Magazins (Ausgabe 01/2021) aktuellen Fragen rund um Mobilität, Auto und Verkehr.
Was bedeutet für Sie persönlich Mobilität?
Autos haben mich schon immer fasziniert. In meiner Familie erzählt man sogar, mein erstes Wort sei „Auto“ gewesen. Mobilität geht aber über das Auto hinaus – Mobilität heißt für mich in erster Linie Wahlfreiheit: Mobilität bedeutet dann, schnell, bequem, günstig und nach eigenen Bedürfnissen von A nach B zu kommen. Für die einen geht das am besten mit dem eigenen Auto, für andere mit dem Zug, für manche vielleicht mit dem Fahrrad oder via Carsharing. Das ist alles in Ordnung. Mobilitätswünsche können auch jeden Tag verschieden sein. Wichtig ist, dass nichts davon zum Stigma wird oder zur Benachteiligung führt. Individuelle Mobilität muss möglich bleiben.
Wie wichtig sind besonders heute die individuelle Mobilität und das Auto?
Auch wenn das manche in urbanen Zentren vielleicht nicht wahrhaben wollen: Individuelle Mobilität und das Auto – auch das eigene Auto – bleiben heute so wichtig wie eh und je. Wir können nicht das Ausbluten des ländlichen Raums oder hohe Mieten in Stadtzentren beklagen, aber gleichzeitig politisch versuchen, das Auto zu verdrängen. Das Auto bleibt Ausdruck persönlicher Freiheit, zu jeder Zeit an jeden Ort zu gelangen. Das wird ungebrochen immer attraktiv bleiben.
Mögen Sie den Begriff „Verkehrswende“ und was verbinden Sie mit ihm?
Eine Wende führt zurück. Unter Verkehrswende wird auch oft schlicht eine Politik gegen das Auto verstanden. Das brauchen wir nicht, sondern eine Transformation. Wir müssen unseren Verkehr und unsere Mobilität nicht „wenden“, sondern sie an die Digitalisierung, Sharing Economy, die Urbanisierung und die Herausforderungen des Klimaschutzes anpassen. Da gibt es sicher viel zu tun. Der Begriff „Verkehrswende“ ist mir da aber zu oft ideologisch aufgeladen.
„AUTOS HABEN MICH SCHON IMMER FASZINIERT. IN MEINER FAMILIE ERZÄHLT MAN SOGAR, MEIN ERSTES WORT SEI ‚AUTO‘ GEWESEN.“
Welchen Stellenwert räumen Sie der Autoindustrie in diesem Land ein?
Die deutsche Autoindustrie ist eine der wichtigsten Quellen unseres Wohlstands. An ihr hängen 790.000 Arbeitsplätze, sie allein sorgt für ein Drittel aller privaten Forschungsausgaben in Deutschland. Die Lust am Untergang dieser Schlüsselindustrie, das Schlechtreden, kann ich nicht verstehen. Sie ist technologisch weltweit immer noch führend. Es liegt in unser aller Interesse, die Zukunftsfähigkeit der Autoindustrie in Deutschland zu sichern.
Wie gelingt Klimaschutz im Verkehrssektor am besten? Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?
Wir brauchen vor allem Technologieoffenheit. Die derzeitige einseitige politische Fixierung auf Elektromobilität greift zu kurz. Wir müssen alle Antriebsarten, die emissionsarmes Fahren ermöglichen, gleichermaßen vorantreiben. Das gilt zum Beispiel für synthetische Kraftstoffe. Wir wollen auch zum Beispiel eine Wasserstoff-Offensive mit Investitionen in Forschung und Infrastruktur.
Derzeit wird über ein Verbrennerverbot ab 2025 oder 2030 gesprochen. Wie stehen Sie dazu?
Ich halte davon nichts. Das ist eine ideologische Debatte, hauptsächlich von Menschen, die nicht auf ein Auto angewiesen sind oder sich ohne Probleme ein neues Auto leisten können. Für mich ist klar: Der Verbrennungsmotor sollte auch in Zukunft seinen Platz in Deutschland haben – zumindest als Übergangstechnologie. Einseitige Verbote werden uns klimapolitisch nur in eine Sackgasse treiben. Wir brauchen ein klares CO2-Limit und einen funktionierenden Emissionshandel, der den Erfindergeist weckt. Statt den Verbrennungsmotor zu verbieten, sollten wir Innovationen vorantreiben, wie wir ihn emissionsneutral nutzen können – zum Beispiel durch synthetische Kraftstoffe.
„STATT DEN VERBRENNUNGSMOTOR ZU VERBIETEN, SOLLTEN WIR INNOVATIONEN VORANTREIBEN, WIE WIR IHN EMISSIONSNEUTRAL NUTZEN KÖNNEN – ZUM BEISPIEL DURCH SYNTHETISCHE KRAFTSTOFFE.“
Beim Klimaschutz gibt es durchaus vernünftige und innovative Ansätze – auch für Verbrenner. Was halten Sievon E-Fuels (synthetischen Kraftstoffen)?
Eine, wenn nicht die, spannende Chance für klimafreundlichen Verkehr. Das müssen wir voranbringen, durch Technologieoffenheit und die Förderung der notwendigen Forschung und Infrastruktur. Dafür setzen wir uns als Freie Demokraten schon lange ein. Konkret muss der Klimaschutzbeitrag, den E-Fuels leisten können, Berücksichtigung finden bei den EU-Flottengrenzwerten. In Japan gibt es große Forschungsprojekte für E-Fuels, bei uns wird es nur nachlässig angegangen. Da ist großer und dringender Nachholbedarf!
Sind Sie für oder gegen ein Tempolimit auf unseren Autobahnen und warum?
Für uns Freie Demokraten ist es generell ein Grundsatz, dass Verbote nur dort ausgesprochen werden, wo sie gebraucht werden. Das ist gilt auch beim Straßenverkehr. Verbote und Tempobeschränkungen sind kein Selbstzweck, sie sollen zur Verkehrssicherheit beitragen. Wo das notwendig ist, sind sie bereits heute verhängt. Wenn sie für die Verkehrssicherheit unnötig sind, gibt es keinen Grund für sie.
Wie sieht für Sie die Mobilität der Zukunft aus?
Wir nutzen verschiedene, emissionsneutrale Antriebsarten. Deutschland sollte aber auch den Anspruch haben, Weltmarktführer im autonomen Fahren zu werden. Das wird bislang völlig unterschätzt oder sogar als Science-Fiction lächerlich gemacht. Wir Freie Demokraten glauben, dass wir das Thema offensiv angehen sollten. Fragen zur Datensicherheit oder nach notwendigen Mobilfunk-Frequenzen sollten wir deswegen schon heute klären.
Was war Ihr erstes Auto und welches Auto fahren Sie zurzeit?
Mein erstes eigenes Auto war ein BMW 318is, ein sportlicher, leichter Wagen. Privat und als Hobby mit wenigen 100 Kilometern pro Jahr fahre ich zurzeit einen Porsche 911 SC von 1982, beruflich benutze ich einen Mercedes GLC F-CELL, der mit Wasserstoff betankt wird.