Im Interview mit Volker Bouffier
Mobil in Deutschland im Gespräch mit Volker Bouffier, Hessischer Ministerpräsident und Landesvorsitzender der CDU Hessen, zu aktuellen Themen der Mobilität, Auto und Verkehr.
Konjunktur braucht Infrastruktur. Stimmen Sie uns zu?
Ja, sicher! Mehr denn je werden in einer digitalisierten und globalisierten Welt reale Infrastrukturen gebraucht. Unternehmen, ob klassisch oder mit digitalen Geschäftsmodellen, wären ohne die letzte Meile zum Endkunden erfolglos. Mobilität spielt in Hessen als Land im Herzen Europas und als Verkehrsknotenpunkt eine herausragende standortpolitische Rolle. Mit der Sanierungsoffensive 2016-2022 reagieren wir deshalb auf den Zustand vieler Landesstraßen und Brücken, ohne den dringend erforderlichen Neubau von z.B. Ortsumgehungen zu vernachlässigen. Aber auch auf der Schiene werden wichtige Mobilitätsinfrastrukturprojekte weiter vorangetrieben. Gerade in der Metropolregion Frankfurt / Rhein-Main brauchen wir den öffentlichen Nahverkehr. Und genauso wichtig wie gut ausgebaute Straßen sind flächendeckende Datenhighways. Hier gehören wir zu den führenden Ländern im Breitbandausbau. Mit einer aktuellen Versorgungsquote von über 72% mit Breitbandgeschwindigkeiten von 50 MBit/s und mehr sind wir dem Ziel der Flächendeckung bis 2018 schon sehr nah.
Welche verkehrsinfrastrukturellen Herausforderungen kommen auf Hessen in den nächsten Jahren besonders zu?
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Verkehrsinfrastruktur bedarfsgerecht auszubauen, dabei gleichzeitig aber den Verkehrslärm zu begrenzen. Dies ist insbesondere in der Rhein-Main-Region eine große Herausforderung. Jeder möchte schnell und staufrei unterwegs sein, mit dem Flieger günstig in den Urlaub fliegen, aber niemand möchte Schnellstraßen, Autobahnen, Bahn- oder Fluglärm vor seiner Haustür haben. Von daher ist es die Aufgabe von „Mobiles Hessen 2020“, sinnvolle Mobilitätskonzepte zu entwickeln, die eine Kombination aus öffentlichen Verkehrsmitteln und Individualverkehr ermöglichen. Darüber hinaus werden wir Lösungen für die in den Großstädten immer stärker steigenden Emissionswerte finden müssen.
Als Ministerpräsident sind Sie zugleich auch Gastgeber der größten Automesse der Welt, der IAA in Frankfurt am Main. Wie wichtig ist diese Messe für den Standort Hessen und Deutschland?
Sehr wichtig, keine Frage! Bereits im Mittelalter war Frankfurt am Main ein herausragender Handelsplatz. Die wichtigste aller Grundbedingungen hierfür war die günstige geographische Lage, daran hat sich bis heute nichts geändert. Messen in Frankfurt tragen erheblich zur Belebung der Wirtschaft in der Stadt selbst sowie darüber hinaus bei. Das Unternehmen sichert mit seinen Veranstaltungen 18.700 Arbeitsplätze allein in Frankfurt. Die von Messen in Frankfurt am Main ausgelöste Kaufkraft beträgt 3,1 Milliarden Euro in Deutschland. Der Ursprung der IAA liegt über 115 Jahre zurück; heute ist diese Messe mit ca. 1.000 Ausstellern aus 34 Ländern weltweit herausragend. Und mit Hessens starker Autoindustrie haben wir ja auch schließlich was zu zeigen!
Die E-Mobilität wird also doch noch gefördert. Zumindest jetzt erst einmal mit 4.000 EUR Kaufprämie pro Fahrzeug. Gibt es weitere besondere Anreize, die Sie schaffen würden?
Zunächst begrüße ich sehr, dass sich die Bundesregierung dazu entschlossen hat, der Elektromobilität durch Förderungen einen Schub zu verleihen. Wichtig ist dabei, dass neben der Förderung der Fahrzeuge auch 300 Mio. Euro in ein möglichst flächendeckendes Netz von Ladestationen investiert werden. Weiterhin sollte man den Einsatz von E-Bussen in den Städten fördern. Denn die E-Busse würden den schadstoffbelasteten Innenstädten einen wichtigen und meines Erachtens sichtbaren Beitrag zur Schadstoffreduktion liefern. Und letztlich sollten wir auch sehen, dass unsere Industrie dafür Batterien produziert, um uns unabhängig vom Ausland zu machen. Das wäre eine strategisch wichtige Entscheidung.
Des Deutschen liebste Kinder sind das Auto und das Smartphone. Beides sollte aber nur zeitlich getrennt voneinander genutzt werden. Die meisten deutschen Autofahrer nutzen aber das Smartphone während der Fahrt, obwohl es verboten ist. Wie nehmen Sie sich als Ministerpräsident des Themas an?
Dafür gibt es bereits gesetzliche Regelungen. Dieses Verbot gilt grundsätzlich unabhängig von der technischen Entwicklung der Mobiltelefone hin zu so genannten Smartphones. Dazu gehört auch das Eintippen und Versenden von SMS-Nachrichten oder die Verwendung sonstiger Handyfunktionen wie beispielsweise Navigationshilfen oder surfen im Internet.
Neben Verboten und teilweise diskutierten höheren Bußgeldern muss es aber vor allem darum gehen, die Gefahr, die von Smartphones während des Fahrens ausgeht, in das Bewusstsein der Menschen zu rücken. Wer schon bei einem Tempo von 50 km/h zwei Sekunden auf das Display seines Smartphones schaut, befindet sich knapp 30 Meter im Blindflug. Das ist für andere Verkehrsteilnehmer und einen selbst lebensgefährlich. Um das Ziel eines gesteigerten Problembewusstseins bei den Fahrerinnen und Fahrern zu erreichen, war das Thema „Handy am Steuer“ bereits zweimal Gegenstand der Verkehrssicherheitsaktion „Sicher unterwegs in Hessen“, an der sich das Hessische Verkehrsministerium beteiligt.
Was halten Sie von einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen?
Die eigentliche Frage ist doch nicht die nach dem Tempolimit, sondern wie schaffe ich eine sinnvolle Geschwindigkeitsregelung, die der aktuellen Verkehrslage gerecht wird? Geschwindigkeitsbegrenzungen sind sinnvoll, wenn es Gefahrenstellen gibt, wenn ich den Verkehrsfluss regeln will, um einen höheren Durchsatz zu bekommen und schließlich auch, um Lärm und Emissionen zu verringern. Gerade auf hessischen Autobahnen würde ein generelles Tempolimit nicht viel bringen. Deshalb setzen wir schon seit Jahren intelligente Verkehrstelematik ein. Das heißt, dass die Geschwindigkeit in Abhängigkeit von der Verkehrssituation dynamisch geregelt wird. Mit dem „Mobilen Hessen 2020“ setzen wir dieses Engagement fort. Solche dynamischen Regelungen werden besser akzeptiert als ein statisches generelles Tempolimit.
50 Mrd. EUR für die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Der Bundesfinanzminister und die EU schlagen eine allgemeine neue Benzinsteuer als Gegenfinanzierung vor. Was halten Sie davon?
Nichts. Natürlich stellt uns die hohe Zahl von Flüchtlingen vor große Herausforderungen. Ich finde es aber generell falsch, jetzt Steuererhöhungen das Wort zu reden. Vor wenigen Wochen hat man noch Spielräume für baldige Steuersenkungen gesehen. Das passt nicht zusammen. Eine Nutzergruppe, wie hier die Autofahrer „rauszupicken“, die schon auf verschiedenste Art und Weise zur Finanzierung des Haushalts beiträgt, eine zusätzliche Belastung aufzubürden, die in keinem Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation steht, ist weder sinnvoll noch gerecht.
Wir danken herzlich für das Interview.