Der große Flugatlas 2010
Ab 19,99 Euro in die ganze Welt! Solch ein Werbeslogan weckt Urlaubsgefühle. Da möchte man am liebsten gleich buchen, packen und losfliegen. Doch auf den zweiten Blick entpuppen sich solche Dumpingpreise dann oft als fiese Mogelpackung. Da wird man manchmal noch während der Buchung, anderorts dann erst beim Check-In böse zur Kasse gebeten. Da zahlt man Extra-Gebühren, soweit das Auge blickt. Für die Kreditkartenbuchung, für die Ticketabholung am Schalter, für den Koffer, für eine Sitzplatzreservierung, für eine Cola an Bord, für das Baby auf Mamas Schoß, für die Namensänderung, für, für, für… Wer blickt da noch durch? Mobil in Deutschland e.V.!
Wir haben den Test gemacht. Den großen Flugatlas. Die sieben großen Billigfluglinien ab Deutschland (das sind Air Berlin, Condor, Easyjet, Germanwings, Pegasus, Tuifly und Ryanair) ließen wir gegeneinander und gegen die deutsche Linienfluggesellschaft Lufthansa antreten. In 14 Kategorien mussten sie um Punkte kämpfen.
Und das sind unsere Kategorien: Wie viele Starts pro Woche zählt die Airline ab Deutschland? Mit welchem Schnäppchen wirbt die Fluglinie gerade? Und wie hoch ist der Endpreis (inklusive Steuern, Gebühren und ein Gepäckstück) einer Buchung wirklich? Wie teuer kommt eine Ticketänderung? Bekommen Kinder eine Ermäßigung? Kostet Gepäck und Essen an Bord extra? Wie teuer kommt Übergepäck? Ist eine Sitzplatzreservierung möglich? Wie groß ist der Sitzabstand? Wie alt ist die Flotte? Wie pünktlich ist die Fluggesellschaft im Schnitt? Wird ein Bonusprogramm angeboten? Wie viele Klicks braucht man bei der Internetbuchung?
Die Fluglinien konnten in allen Kategorien höchstens vier Punkte erzielen. Eine Ausnahme bildete die Kategorie „Preis bei Testbuchung“: Hier haben wir viermal so viele Punkte verteilt, also höchstens 16 Punkte. Diese Vervielfachung der Bewertung nahmen wir vor, da die meisten Entscheidungen pro oder contra eine Airline vom tatsächlichen Preis des Tickets abhängt.
Flugziele/Starts:
Air Berlin, Germanwings, Ryanair und Lufthansa bieten sowohl innerdeutsche als auch europaweite Flüge an. Condor, Tuifly, Pegasus und Easyjet starten ab Deutschland nur in Richtung Ausland. Germanwings hat sein Drehkreuz in Köln/Bonn. Deshalb müssen Passagiere auf Europareisen dort meist umsteigen. Die anderen Airlines fliegen nonstop. Bei der Abfrage, wie oft pro Woche eine Airline ab den deutschen Flughäfen zu europäischen oder innerdeutschen Zielen startet, wollten wir festhalten, wie groß eine Airline ist und aus wie vielen Alternativflüge mit eventuell niedrigeren Preisen Schnäppchenjäger wählen können.
Testbuchung:
Nähert sich der reale Buchungspreis dem Werbepreis an? Oder klaffen beide weit auseinander? Wir haben im Internet Testbuchungen vorgenommen. Zuerst mimten wir einen Geschäftsreisenden auf der Suche nach einem innerdeutschen Economy-Flug. Zur besseren Vergleichbarkeit wählten wir meist von Berlin nach München. Hin flogen wir an einem Montag, vormittags oder mittags. Zurück an einem Dienstag, nachmittags oder abends. Da uns interessierte, inwieweit der Ticketpreis von der Vorausbuchungszeit abhängt, buchten wir einen Flug zwei Wochen im Voraus sowie vier und zehn Wochen im Voraus. Danach mimten wir einen Urlaubsreisenden. Ab München gings in ein „Standard“-Reiseziel wie Mallorca, Antalya oder London. Als Ab- & Rückflug fixierten wir jeweils einen Samstag. Auch hier wieder zwei, vier und zehn Wochen im Voraus. Da uns hier jedoch vor allem der Preis und nicht der Reisetag interessierte, räumten wir uns +/- 1 Tag Spielraum ein. Wenn mehrere Flüge pro Tag zur Auswahl standen, buchten wir den günstigsten – der oft jedoch zu einer eher ungünstigen Zeit startete. Wer nämlich frühmorgens oder nachts fliegt, spart noch mal zusätzlich. Da diese Kategorie das Herzstück unseres Vergleichs ist, gab es vierfache Punktzahl zu erringen. Der beste Preis wurde also mit 16 Punkten belohnt, der zweitbeste mit 14, der drittbeste 12 und der letzte bekam noch 2 Punkte. Der Gesamtpreis übrigens versteht sich inklusive Steuer, Gebühren und einem Gepäckstück mit 20 kg. Unser Ergebnis: Bei einem innerdeutschen Flug sind Ryanair und Germanwings am günstigsten. Die sagenhaften 99 Euro-Flüge von Lufthansa waren bei unserer Testbuchung leider nur einmal verfügbar. Interessant war, dass derjenige innereuropäisch am günstigsten bucht, der vier Wochen im Voraus bucht.
Bei europäischen Flügen haben Germanwings, Air Berlin und Tuifly ein gutes Preis-/Leitungsverhältnis. Ryanair und Easyjet sind zwar beeindruckend günstig, doch verstecken sich hier fiese Extrakosten, etwa bei Kreditkartenbuchung, Ticketausstellung am Schalter, Verpflegung an Bord etc. Hier lässt sich festhalten, dass es keine festen Regeln gibt, wann ein Flug am günstigsten ist. Faustregel: je länger im Voraus gebucht, desto günstiger. Schnäppchen kann man aber auch kurzfristig bekommen.
Ticketänderung:
Umbuchungen sind bei allen Fluggesellschaften möglich, wenn es sich um ein Basis-Ticket handelt. Manche Aktionspreise sind jedoch von der Möglichkeit einer Ticketänderung ausgeschlossen. Eine komplette Stornierung des Tickets ist lediglich in einer höheren Buchungsklasse (meist heißt dieses dann Flex-Ticket) möglich. Gegen die geringste Gebühr kann man bei Pegasus, Air Berlin, Condor, Germanwings und Tuifly umbuchen.
Kinderermäßigung:
Wie sehr ist den Fluglinien an ihren kleinsten Passagieren gelegen? Schade: Easyjet und Ryanair kassieren auch bei Kindern kräftig ab. Super: Bei Air Berlin & Lufthansa werden Babys auf dem Schoß der Eltern kostenlos befördert.
Gepäck:
Gewicht kostet Kerosin, und Kerosin ist teuer. Um die Passagiere zu bewegen, mit wenig Gepäck zu reisen, kostet jede eingecheckte Tasche, jeder Koffer bei Ryanair und Easyjet Geld. Diese Airlines lohnen sich eigentlich nur bei kleinen Trips, auf denen Handgepäck ausreicht. Alle anderen Gesellschaften checken mindestens 20 Kilo kostenfrei ein, Pegasus Airlines sogar 30 Kilo Gepäck. Jedes Kilo mehr zählt als Übergepäck. Und Übergepäck scheint bei den Airlines eine Goldgrube zu sein. Hier wird kräftig und meist ziemlich unübersichtlich abkassiert.
Ein Tipp: Vorab schon das Gepäck zuhause wiegen und ein Übergepäck-Paket im Internet buchen. Das spart Geld und Ärger beim Check- In. Generell kann man aber sagen: Wer mit Billigfliegern unterwegs ist, sollte sein Gepäck in der Tat auf das Minimum reduzieren. Sonst übersteigen die Gepäckkosten locker den Ticketpreis.
Essen:
Eine kostenfreie Verpflegung bekommt man bei Air Berlin, Condor, TUIfly und Lufthansa. Kundenfreundlich: Viele Fluggesellschaften etwa Air Berlin bieten gegen einen Aufpreis Gourmet-Menüs oder auch ohne Aufpreis vegetarische Kost für ihre Passagiere an.
Sitzplatzreservierung:
Früher gehörte zu Billigfliegern auch der Kampf um den besten Platz. Heute ist das nur noch bei EasyJet & Ryanair so. Doch auch hier gilt: Wer Speedy Boarding bucht, darf zuerst in die Maschine und die bequemsten Plätze wählen. Bei allen anderen Fluggesellschaften kann der Sitzplatz ganz gemütlich schon von zuhause aus online gegen eine Gebühr reserviert werden. Lufthansa bietet diesen Service sowie gleichzeitiges Online-Check-In sogar kostenfrei an. Viele Airlines ermöglichen auch das Reservieren von XL-Seats, also Plätzen mit besonders viel Raum.
Sitzabstand:
Ein großer Sitzabstand verspricht mehr Fußfreiheit und somit Komfort. Daher bat Mobil in Deutschland alle Fluggesellschaften den Sitzabstand anzugeben. Die angegebene Zahl ist ein Durchschnittswert aus allen verfügbaren Maschinentypen einer Airline. Das Ergebnis: Den meisten Platz bietet Lufthansa gefolgt von Germanwings.
Flottenalter:
Wie alt beziehungsweise jung ist die Flotte der jeweiligen Fluggesellschaft? Das wollte Mobil in Deutschland von den Pressestellen wissen. Air Berlin und Germanwings verfügen über die jüngste Flotte. Condor und Lufthansa über die älteste. Doch das ist kein Grund zur Unruhe: Die Condor- und Lufthansa-Wartung zählt zu den besten ihrer Klasse. Leider ist hier der Vergleich auch nicht vollständig, weil einige Pressestellen keine Angaben in dieser Kategorie machten.
Pünktlichkeit:
Wie viel Prozent der Flüge erreichten 2009 pünktlich ihren Flughafen? Germanwings, Tuifly, Condor und AirBerlin sind hier sehr vorbildlich. Lufthansa gilt ebenfalls als sehr eine sehr pünktliche Airline, leider wird dort der Wert nicht mehr genau erhoben.
Bonusprogramm:
Fast alle Airlines bieten ihren Kunden ein Bonusprogramm an. Das ist zwar nicht unbedingt ein Buchungsargument, aber ein nettes Extra. Es bindet den Kunden und belohnt ihn bei mehreren Buchungen mit ermäßigten Preisen, Sonderservice oder sogar Freiflügen.
Internetauftritt:
Hier interessierte uns, wie viele Klicks man braucht, bis man die Buchung vollendet hat. Generell sind die Internetauftritt relativ ähnlich konzipiert. Negativ aufgefallen sind hier lediglich Easyjet und Ryanair. Deren Internetseite ist überfrachtet mit Extraangeboten wie Mietauto, Hotelbuchung, und Versicherungen, die man schneller serviert bekommt, als einem recht ist. Da ist schon die Internetnutzung eine kleine Weltreise, bis man endlich ans Ziel kommt.
Gesamtergebnis:
Germanwings, Air Berlin und Tuifly schnitten bei unserem Test am besten ab. Diesen Airlines ein „Herzliches Glückwunsch“ zu den ersten Plätzen unseres Flugatlasses, den wir sicherlich nicht zum letzten Mal veröffentlich haben.
Schnäppchenjäger aufgepasst – von Ralf Baumeister:
Auch heute können clevere Reisende immer noch zum Schnäppchenpreis Flüge finden, aberVorsicht, der Teufel lauert oftmals im Detail! Wie wir in unserem Flugatlas zeigen, haben viele Airlines mittlerweile entdeckt, dass mit Leistungen, die früher kostenlos und selbstverständlich waren, mittlerweile gutes Geld zu verdienen ist. Besonders Ryanair betreibt dieses Modell ohne geringsten Skrupel, dort kostet sogar die gänige Online-Buchung eine Zusatzgebühr, die Liste der Zusatzkosten für Gepäck etc lässt sich wunderbar ausbauen. Hier gilt es, genau zu vergleichen, denn oftmals sieht der so günstige Werbepreis in Realität dann ganz anders aus. Mehr Transparenz, wie eigentlich durch eine EU-Verordnung vorgeschrieben, wäre hier wünschenswert. Dass es auch fair und transparent geht, zeigt unser Sieger Germanwings. Hier findet man bei der Buchung immer die kompletten Endpreise, so sieht Fliegen ohne böse Überraschungen aus!
Also, Schnäppchenjäger und Sparfüchse aufgepasst, besser zweimal hinschauen und genau vergleichen, bevor der Flug in den wohlverdienten Urlaub durch Zusatzkosten am Schalter zum Reinfall wird!