Fliegen in Berlin und München
Fliegen in Berlin und München: Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Münchens OB Christian Ude im Interview mit Mobil in Deutschland e.V.
In Berlin hat das Bundesverwaltungsgericht gerade ein Machtwort zu den Flugzeiten des neuen Flughafen Berlin gesprochen, ganz zur Freude des regierenden Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit. Dieser hat gerade die Wahlen gewonnen und will jetzt, entgegen den ursprünglichen Ankündigungen, nicht mit den Grünen koalieren. In München hat OB Christian Ude alle Hände voll zu tun seine Partei
auf die 3. Startbahn einzuschwören. Die Grünen haben längst abgelehnt. München hat bereits den zweitgrößten Flughafen in Deutschland. Berlin möchte in dieser Liga auch ganz oben mitspielen. Mobil in Deutschland e.V. sprach mit beiden Bürgermeistern über dieses Thema.
Wie wichtig ist ein Großflughafen für Ihre Stadt?
Wowereit: Der Flughafen Berlin Brandenburg Willy Brandt (BER) ist das größte Infrastrukturprojekt der neuen Länder. Für Berlin ist der Flughafen eine Jobmaschine, um mit den anderen Wachstumsregionen in Deutschland gleichziehen zu können. Schon heute zählen die Berliner Flughäfen zu den wichtigsten Arbeitgebern der Region. Für die nächsten Jahre sehen Experten sogar ein Potenzial von bis zu 73.000 Jobs voraus. Nicht nur für den Tourismus, sondern auch für den Wirtschaftsstandort Berlin insgesamt ist BER ein Motor. Ude: Die Region benötigt wie der gesamte Freistaat den Flughafenausbau, um ihre Attraktivität als Wirtschafts- und Wissenschaftszentrum zu erhalten und bayerischen Unternehmen den Zugang zu den Weltmärkten zu erleichtern. In einer globalisierten Welt entscheidet im immer schärfer werdenden Standortwettbewerb – gerade zwischen den großen Städten in
Europa – die Verkehrsinfrastruktur mit darüber, ob man auf der Seite der Gewinner oder der Verlierer steht. Deshalb müssen auch die Schattenseiten des Wachstums bis zu einem gewissen Grad in Kauf genommen werden. Der Flughafen München ist ein wichtiger Job- und Wachstumsmotor für die Region, und er wird es nur bleiben, wenn ihm eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung ermöglicht wird.
Wie sind die Wachstumsprognosen?
Wowereit: Die Luftfahrtbranche ist neben der Hoch- und Biotechnologie eine der führenden Wachstumsindustrien in der global vernetzten Welt. Der zukünftige Airport wird der Region Berlin-Brandenburg für die nächsten Jahrzehnte die Luftverkehrskapazitäten zur Verfügung stellen, die sie so dringend benötigt. 2010 wurden in Tegel und Schönefeld 22,3 Millionen Passagiere gezählt. Nach den vorliegenden Prognosen werden die Fluggastzahlen in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen. In den vergangenen Jahren lagen die Steigerungsraten immer über den anderen deutschen Flughäfen. Gemäß Planfeststellungsbeschluss kann der Flughafen Willy Brandt bis auf eine Kapazität von 360.000 Flugbewegungen ausgebaut werden. Das entspricht ca. 45 Millionen Passagieren. Ude: Aufgrund der geographischen Lage, der Leistungsfähigkeit und der zunehmenden Mobilitätsnachfrage ist am Flughafen München auch in Zukunft mit einem erheblichen Verkehrszuwachs zu rechnen. Für das Jahr 2025 werden über 58 Millionen Fluggäste erwartet – das wäre gegenüber den im vergangenen Jahr gezählten 34,7 Millionen Passagieren ein enormer Anstieg.
Wie wichtig war die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachtflugverbot in Berlin?
Wowereit: Wir sind sehr zufrieden mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, denn damit sind die Grundlagen gelegt, dass der Flughafen BER zu einem der großen Drei der Bundesrepublik Deutschland und zu einem Drehkreuz des internationalen Luftverkehrs werden kann. Unser Ziel, verstärkt Interkontinentalverbindungen ab Berlin anbieten zu können, erhält eine reale Basis. Air Berlin hat darauf bereits reagiert und angekündigt, ab Mai 2012 nach Los Angeles zu fliegen. Ferner wird die Anzahl der Flüge nach New York ab dem Sommerflugplan 2012 (täglich statt vier Mal wöchentlich) ebenfalls erhöht. Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
ist also eine der wichtigsten Voraussetzungen geschaffen, dass sich in der Metropolregion Berlin-Brandenburg auch international konkurrenzfähige Zukunftsindustrie und Technologie ansiedeln kann.
© SPD
Dabei müssen allerdings auch die Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner ernst genommen werden. Die Flughafengesellschaft wird nach bisherigen Planungen 140 Millionen Euro allein für den aktiven und passiven Schallschutz ausgeben. Ferner hat sich sie sich im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig durch Protokollnotizen bereit erklärt, zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen zu ergreifen.
Ein klares Ja für die 3. Startbahn am Flughafen München . Ist es Sinneswandel oder absolute Notwendigkeit?
Ude: Man muss einfach sehen, dass bereits seit Eröffnung des Flughafens im Erdinger Moos im Jahr 1992 die Zahl der jährlichen Passagiere um 20 Millionen gestiegen ist. Schon jetzt operiert der Airport insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten an seiner Kapazitätsgrenze. Und man muss jetzt die Weichen stellen, um den in der Zukunft zu erwartenden Zuwachs im Luftverkehr bewältigen zu können. Natürlich ist der Flughafenausbau eine Abwägungsfrage, aber ich bin davon überzeugt, dass in diesem Fall die wirtschaftlichen Erfordernisse der ganzen Region schwerer wiegen als die Gegenargumente der Flughafenanwohner, auch wenn ich deren Position für sich genommen gut nachvollziehen kann. Im Übrigen hat es weder bei mir noch bei der Münchner SPD in dieser Frage einen Sinneswandel gegeben, wie die Stadtratsbeschlüsse belegen, mit denen die Flughafen-Minderheitsgesellschafterin Landeshauptstadt München die dritte Start- und Landebahn stets mitgetragen hat.
Freuen Sie sich auf die bevorstehende Eröffnung des Großflughafen Berlin Schönefeld?
Wowereit: Ja, weil Berlin dann über Europas modernsten Flughafen verfügt. Das ist wie Werbung für unsere Stadt. Und weil man sehen wird, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
Warum sperren sich die Grünen gegen die meisten Flughafenprojekte?
Wowereit: Das müsste man die Grünen fragen.
Ude: Da sollten Sie die Grünen selber fragen, die derzeit ja nicht nur gegen den Ausbau von Flughäfen demonstrieren, sondern auch gegen den Bau von Brücken (an der Mosel), von Autobahnverlängerungen (in Berlin) sowie den Ausbau von Bahnhöfen (Stuttgart)
und S-Bahnsystemen (München) oder Häfen (Hamburg).
Wie wichtig ist eine gute ÖPNV-Verbindung zum Flughafen und gibt es hier bei Ihnen Verbesserungspotentiale?
Wowereit: Sehr wichtig. Und unsere ÖPNV-Anbindung kann sich sehen lassen: Der Airport-Express verbindet den Flughafen Berlin Brandenburg im 30-Minuten-Takt mit der Berliner Stadtbahn (RE7, RB14) sowie ebenfalls im 30-Minuten-Takt mit der Achse
Südkreuz-Hauptbahnhof (RE9). Damit besteht vier Mal stündlich eine Verbindung zwischen Hauptbahnhof und BER. Zusätzlich verkehrt die S-Bahn im 10-Minuten-Takt (S9 und S45). Neben dem Anschluss an das regionale Verkehrsnetz bietet der Flughafen Berlin Brandenburg auch nationale und internationale Fernstrecken an: Direkte Fernverkehrszüge verbinden den BER mit Hamburg, Münster und Hannover sowie mit dem Flughafen Amsterdam- Schiphol und Krakau. Nach Inbetriebnahme der sog. Dresdner Bahn in Berlin wird sich die ÖPNV-Anbindung noch weiter verbessern.
Ude: Natürlich ist eine gute Nahverkehrs-Anbindung für einen Flughafen sehr wichtig und es gibt hierbei in München zweifellos Verbesserungspotential. Nach dem Scheitern des finanz-, verkehrs- und umweltpolitisch unsinnigen Transrapids liegen zur Verbesserung der Schienenanbindung des Flughafens München die Ergebnisse eines vom Freistaat Bayern in Auftrag gegebenen Gutachtens vor, das den „Ostkorridor“ einschließlich eines oberirdischen Ausbaus der Bahnstrecke der S 8 befürwortet. Dieses Gutachten gilt es zwischen der Landeshauptstadt München und dem Freistaat Bayern noch inhaltlich abzustimmen.
Was wünschen Sie ihrem SPD Kollegen OB Ude mit seinem klaren Bekenntnis zur 3. Startbahn am Flughafen München?
Wowereit: Wirtschaftlichen Erfolg und ein gutes Wahlergebnis.
Was wünschen Sie Ihrem SPD-Kollegen Wowereit mit dem neuen Flughafen in Berlin?
Ude: Natürlich habe ich ihm schon viel Glück gewünscht und eine möglichst schnelle Klärung der Flugroutenfrage.
Wohin geht die nächste Urlaubsreise mit dem Flieger?
Wowereit: Erst einmal geht es darum, die Koalitionsverhandlungen abzuschließen – dann wird man sehen.
Ude: Wie in den vergangenen Jahren auch nach Mykonos.