„Autos brauchen Straßen. Die SPD ist die Infrastruktur-Partei“
Mobil in Deutschland im Gespräch mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz zu aktuellen Themen der Mobilität, Auto und Verkehr.
Wie wichtig ist das Auto für die Deutschen?
Deutschland ist ein Auto-Land. Die Deutschen haben nicht nur das Auto erfunden, sondern bauen auch die besten Fahrzeuge. Die Automobilbranche ist eine der größten in unserem Land mit vielen Beschäftigten. Für unsere Volkswirtschaft ist sie mit ihren innovativen Potenzialen von großer Bedeutung. Das tägliche Leben ist für Millionen Menschen ohne Auto gar nicht vorstellbar.
Warum sollen die deutschen Autofahrer Sie bei der
Bundestagswahl wählen?
Weil Autos Straßen brauchen. Die SPD ist die Infrastruktur-Partei. Andere versprechen Steuersenkungen für Spitzenverdiener oder wollen pro Jahr 20 bis 30 Milliarden Euro zusätzlich für Rüstung ausgeben. Das Geld fehlt dann bei der Infrastruktur. Wir wollen investieren. Denn Staus sind nicht nur für den einzelnen ärgerlich, sie richten auch große volkswirtschaftliche Schäden an. Und: Wirwollen dafür sorgen, dass es überall in Deutschland – in den Städten genauso wie auf dem Land – eine vernünftige Alternative zum Auto gibt. Der öffentliche Nahverkehr muss genauso ausgebaut werden wie das Radwegenetz. Für mich ist Verkehrspolitik nicht irgendein Nischenthema. Verkehrspolitik hat ganz unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensqualität der Menschen. Das muss man sich immer klar machen.
Wie wichtig ist die Autoindustrie für Deutschland? Und welches Verhältnis haben Sie zu ihr?
Jeder weiß: Die Autobranche ist ein wichtiger Faktor unserer Volkswirtschaft. Überall im Ausland wird man auf Autos „made in Germany“ angesprochen. Das kann uns durchaus auch stolz machen. Ich bin sicher: Das Auto der Zukunft wird aus Deutschland kommen. Und die Mobilitätskonzepte von morgen werden hier entwickelt werden. Die Autoindustrie sichert nicht nur hunderttausende gut bezahlte Jobs. Sie ist auch der Innovationsmotor der deutschen Industrie.
Konjunktur braucht Infrastruktur. Stimmen Sie uns zu?
Na klar! Für die gute Infrastruktur haben uns lange andere Länder bewundert. Zur Wahrheit gehört: Wir haben Straßen und Schienennetz, Schulen und öffentliche Gebäude lange auf Verschleiß gefahren. Die Mittel für die Infrastruktur sind in der Großen Koalition deutlich aufgestockt worden. Aber das reicht noch nicht.
Die Kanzlerin hat 2010 versprochen: bis ins Jahr 2020 1 Mio. Elektrofahrzeuge in Deutschland. Ist das zu schaffen?
Wir sind noch nicht so weit, wie wir sein wollten. Alle sind sich einig, dass wir den Klimaschutzplan 2050 nur umsetzen können, wenn wir eine schadstofffreie Mobilität organisieren. Die Politik hat mit der Prämie für Elektro-Fahrzeuge und dem Ausbau von Ladestationen wichtige Schritte gemacht. Der Staat ist auch bereit, seine Fahrzeugflotten umzustellen. Die Hersteller müssen nun nachziehen mit Angeboten, sowohl bei Fahrzeugen als auch bei leistungsfähigen Batterien. Die Branche hat dies verstanden. Alle Hersteller in Deutschland haben Mobilitätskonzepte vorgelegt, die Elektro-Autos besonders berücksichtigen.
Immerhin gibt es 4.000 EUR Kaufprämie pro E-Fahrzeug. In Kalifornien sind es 12.000 Dollar. Gibt es besondere Anreize, die Sie schaffen würden?
Das werden wir uns sehr genau ansehen müssen. Der Markt kommt langsam in Bewegung. Entscheidend ist, dass die deutsche Autoindustrie den Übergang zur E-Mobilität schafft. Das ist eine Existenzfrage – nicht nur für die großen Hersteller, sondern auch für die vielen mittelständischen Zulieferer. Mein Eindruck ist: Inzwischen haben alle verstanden, worum es geht
Trotz einer jährlich sinkenden Anzahl an Verletzten und Toten im Straßenverkehr gibt es offenbar eine neue Gefahr: die Ablenkung des Autofahrers durch das Smartphone. Sehen Sie das auch so?
Das ist leider so, ja. Jede Ablenkung beim Autofahren ist lebensgefährlich. Den meisten ist das auch bewusst. Wer sich dennoch nicht daran hält, dass beispielsweise Mobiltelefone am Steuer nichts verloren haben, muss auch jetzt schon mit Bußgeldern rechnen.
Des Deutschen liebste Kinder sind das Auto und das Smartphone. Beides sollte aber nur zeitlich getrennt voneinander genutzt werden. Wird es aber offenbar nicht. Die meisten deutschen Autofahrer nutzen das Smartphone während der Fahrt, obwohl es verboten ist. Wie nehmen Sie sich als Kanzlerkandidat des Themas an?
Verbote und Bußgelder gibt es ja bereits. Es müsste also verstärkt kontrolliert werden. Als Kandidat appelliere ich auch unbedingt an die Vernunft, sich und andere nicht zu gefährden. Übrigens: das gilt nicht nur für Autofahrer. Auch Fußgänger, die bei Rot über die Ampel gehen, weil sie glauben, ihre ganze Aufmerksamkeit dem Handy widmen zu müssen, sind eine Gefahr.
Was halten Sie von einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen?
Wir haben in Deutschland zwar kein generelles Tempolimit, aber viele flexible Tempobeschränkungen, besonders an Gefahrenstellen. Sie berücksichtigen das Verkehrsaufkommen und die Witterungsbedingungen und haben auch ökologische Effekte.
Im Bundeshaushalt gibt es für 2016 7 Mrd. EUR Überschuss. Anstatt es den Bürgern zurückzugeben, Schulden zu tilgen oder sinnvoll zu investieren, wird es in eine Rücklage für Flüchtlinge gesteckt. Kann man den Menschen so etwas vermitteln?
Es ist großartig, mit welcher Hilfsbereitschaft die Bürgerinnen und Bürger auf Flüchtlinge reagieren. Ich habe großen Respekt vor dem Engagement von Millionen Ehrenamtlichen. Natürlich hat die Unterbringung der Flüchtlinge viel Geld gekostet. Und die Integration derer, die dauerhaft bei uns bleiben, gibt es auch nicht zum Nulltarif. Da darf man sich nichts vormachen. Für mich ist entscheidend, dass wir gleichzeitig investieren – in Bildung, in eine bessere Pflege aber eben auch in Infrastruktur wie Straße und Schiene.
Wenn Sie 2017 regieren würden: Was wäre aus Ihrer Sicht ein verkehrspolitischer Schwerpunkt?
Verkehrspolitik ist Gesellschaftspolitik. Das heißt, sie geht alle an und betrifft alle. Ein Bündnis für bezahlbare, umweltfreundliche und sichere Mobilität steht im Vordergrund. Wir holen alle an einen Tisch, Vertreter aller Verkehrsträger, Gewerkschaften, Fahrgast- und Verbraucherorganisationen sowie der Industrie- und Umweltverbände. Aufgabe wird es sein, einen verlässlichen Zeitplan zu erarbeiten, mit dem wir in Zwischenschritten bis 2050 in unserem Land die digitale Modernisierung und die schadstofffreie Mobilität organisieren.
Was machen Sie, wenn Sie Kanzler werden würden, sicher anders als die Kanzlerin heute?
Ich habe mir vorgenommen, in diesem Wahlkampf nur für mich und meine Positionen zu werben. Ich werde nicht schlecht über andere reden. Denn der politische Mitbewerber ist nie der Feind. Wir brauchen mehr Respekt in unserer Gesellschaft. Und deshalb wird unser Wahlkampf auch von Respekt geprägt sein.
Wir danken Herrn Martin Schulz herzlich für das Gespräch.