Das Potenzial der „grünen“ Kraftstoffe: HVO100 und E-Fuels
„Nicht der Motor ist das Problem, sondern der Kraftstoff, der verbrannt wird.“ – Eine Aussage, die vielen so nicht bewusst ist. Denn oft werden die Verbrennerfahrzeuge an sich in ein schlechtes Licht gerückt. Tatsächlich ist aber der Kraftstoff, der in Verbrennungsmotoren verwendet wird, ein wesentlicher Faktor für die Emissionen von Schadstoffen und Treibhausgasen. Alternative Kraftstoffe mit geringeren Emissionen wie Wasserstoff, E-Fuels oder HVO100 können dazu beitragen, die Umweltauswirkungen des Verkehrssektor effizient und in kurzer Zeit zu reduzieren.
Denn ohne den Verbrenner wird automobile Mobilität nicht funktionieren. In Deutschland haben Verbrennungsmotoren traditionell eine wichtige Bedeutung im Transport- und Automobilsektor. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Deutschland unter anderem weltweit bekannt für seine starke Automobilindustrie ist, die eine breite Palette von Fahrzeugen herstellt. Die Mehrheit dieser Autos wird mit Verbrennungsmotoren angetrieben – eine herausragende und hocheffiziente Technologie, die „made in Germany“ groß gemacht hat und auch Grund für den Wohlstand in diesem Land ist. Die deutsche Automobilindustrie ist der wichtigste Wirtschaftszweig und der größte Arbeitgeber im Land.
In Deutschland gibt es aktuell rund 49 Millionen zugelassene Pkw, davon 48 Millionen mit Verbrennungsmotor. Hinzu kommt der Straßengüterverkehr mit 72 Prozent Anteil am gesamten Güterverkehr in Deutschland, der fast ausschließlich mit Verbrennermotoren ausgestattet ist. Und diese Bestandsfahrzeuge wird es auch in den kommenden 5, 10 oder 20 Jahren geben. Hier braucht es eine pragmatische und schnelle Lösung, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Alleine mit Elektromobilität und einem Verbot von Verbrennerfahrzeugen werden wir diese Herausforderung allerdings nicht meistern können.
Wir brauchen Innovationen und Technologieoffenheit. Die aktuellen Anstrengungen, den Verkehrssektor zu dekarbonisieren, Emissionen zu reduzieren und unser Klima zu schützen, konzentrieren sich daher nicht nur auf die Verbesserung der Motoreffizienz, sondern auch auf die Förderung umweltfreundlicherer Kraftstoffe und die Umstellung auf alternative Antriebe. Und das ist dann kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.
Das Potenzial alternativer Kraftstoffe, einschließlich synthetischer Kraftstoffe wie E-Fuels und HVO100 Diesel (Hydrotreated Vegetable Oil), hängt in Deutschland von verschiedenen Faktoren ab, darunter die technologische Entwicklung, politische Rahmenbedingungen und die Akzeptanz auf dem Markt. Und hier braucht es noch einige Anstrengungen.
HVO100 Diesel
Vielen noch absolut unbekannt ist der Dieselkraftstoff HVO100. Die Bezeichnung HVO100 kommt von Hydrotreated Vegetable Oil und ist ein klimafreundlicher, nonfossiler Dieselkraftstoff aus biologischen Rest- und Abfallstoffen. Und das Beste daran: Er kann in gängigen Dieselmotoren ohne Modifikationen verwendet werden und reduziert bis zu 95 Prozent der Treibhausgasemissionen gegenüber herkömmlichem Dieselkraftstoff. Daneben ist er schwefel- und stickoxidreduziert. Und das alles ist keine Zukunftsmusik, sondern Realität auf der Straße.
HVO100 erfüllt die Kraftstoffnorm DIN EN 15940 und ist damit in Europa für den Verkauf grundsätzlich zugelassen. In vielen Ländern wie Italien, Belgien, Norwegen oder Dänemark ist der Kraftstoff bereits an ausgewählten Tankstellen erhältlich. In Italien ist er beispielsweise sogar günstiger als herkömmlicher Diesel. Die in Deutschland noch bestehenden regulatorischen Hürden sollen in den kommenden Monaten fallen, sodass HVO100 dann auch hierzulande an Tankstellen abgegeben werden kann. Von Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing gibt es hier volle Rückendeckung: „Ich setze mich dafür ein, dass HVO100 auch in Deutschland an jeder Tankstelle getankt werden kann.“ Aktuell wird der Kraftstoff bereits in einigen Bereichen des Transportwesens, insbesondere im Schwerlastverkehr und bei Baumaschinen, in Deutschland genutzt.
Und dazu braucht man kein neues Fahrzeug, keine Ladesäule, keine Verhaltensänderung, sondern weiterhin nur sein Verbrennerfahrzeug und eine herkömmliche Tankstelle. HVO100 tanken und klimafreundlicher unterwegs sein.
E-Fuels (synthetische Kraftstoffe)
Noch nicht ganz so weit, dafür aber mit umso mehr Potenzial kommen E-Fuels daher. E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe, die durch die Umwandlung von CO2 und Wasserstoff in flüssige oder gasförmige Treibstoffe mit Hilfe von erneuerbarem Strom hergestellt werden. Diese Kraftstoffe können in herkömmlichen Verbrennungsmotoren verwendet werden, einschließlich Benzin- und Dieselmotoren. Aber auch Kerosin und Heizöl könnten so ersetzt werden.
Das Potenzial von E-Fuels in Deutschland ist vielversprechend, da die bestehenden Fahrzeuge und die vorhandene Infrastruktur ohne große Modifikationen genutzt werden können. Dies könnte die Dekarbonisierung des Verkehrssektors und aber auch in anderen Sektoren beschleunigen. Die Verfahren sind schon weit. Bis 2030
wird es E-Fuels nur in kleinen Mengen geben, aber ab 2030 ist das in großen Mengen darstellbar. Porsche will in Chile mit Wind und Wasser 2025 bereits 50 Millionen Liter E-Fuels produzieren, Aramco in Saudi-Arabien und Spanien mit Sonne und Wasser ebenfalls viele Millionen Liter herstellen. Immerhin ein Anfang.
Denn aktuell sind E-Fuels noch teuer in der Herstellung und erfordern erhebliche Mengen an erneuerbarem Strom. Ihr Potenzial hängt daher stark von der Weiterentwicklung der Technologien und der Verfügbarkeit kostengünstiger, erneuerbarer Energie ab. Zudem muss auch die Politik noch einige Hürden nehmen, um E-Fuels marktreif zu machen.
Am 4. September 2023 hat Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing unter anderem die erste internationale E-Fuel-Konferenz in München ins Leben gerufen und hat eine sehr positive Resonanz der Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft festgestellt: „Es gibt ein gemeinsames Verständnis, dass wir strombasierte,
synthetische Kraftstoffe brauchen und fördern wollen. Es ist entscheidend, dass wir die zentralen Fragen auf internationaler Ebene klären, damit wir optimale Voraussetzungen für einen erfolgreichen Markthochlauf schaffen. Unser Ziel ist, uns über einheitliche Standards und einen rechtlichen Rahmen zu verständigen, die
aktuell noch hohen Kosten zu reduzieren und die Produktionskapazitäten zu steigern. Für Industrie und Investoren sind Rechts- und Planungssicherheit notwendige Voraussetzungen. Der Anfang ist gemacht, jetzt geht es darum, den Dialog fortzusetzen und zu vertiefen. Wir senden ein klares Signal an den Markt: Wir brauchen
E-Fuels und Deutschland ist ein langfristiger und zuverlässiger Partner für klimafreundliche Kraftstoffe“, so Wissing.
Alternative Kraftstoffe für mehr Klimaschutz
Synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) und HVO100 sind zwei Arten von alternativen „grünen“ Kraftstoffen, die in Deutschland und anderen Ländern zunehmend an Bedeutung gewinnen und dazu beitragen können, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und den Verkehrssektor in einer kurzen Zeit zu dekarbonisieren. Dr. Michael Haberland, Präsident des Automobilclubs Mobil in Deutschland e.V., ist vom Potenzial alternativer Kraftstoffe überzeugt: „Wir können so mit unserer Bestandsflotte und auch zukünftigen Verbrennerfahrzeugen CO2-reduziert und bestenfalls CO2-neutral unterwegs sein. Das ist sofort gelebter Klimaschutz, eine Nachhaltigkeit im doppelten Sinn und die Zukunft für unsere größte technologische Errungenschaft, dem Verbrennungsmotor. Es geht auch ohne Verbote, nämlich mit Mut, Fleiß und Technologieoffenheit.“