Im Interview mit Wolfgang Kubicki, FDP zu Fragen der Mobilität, zu Fahrverboten und Tempolimit
In der neuesten Ausgabe des Mobil in Deutschland-Magazins stellt sich Wolfgang Kubicki, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und Vizepräsident des Deutschen Bundestages, aktuellen Fragen rund um Mobilität, Auto und Verkehr.
Was war Ihr erstes Auto?
Ein gebrauchter Opel Rekord P2.
Deutschland ist ein Autofahrerland. Im Moment könnte man aber auch den Eindruck gewinnen, dass sich das anders verhält. Was werden Sie und die FDP explizit für die Autofahrer in den nächsten Jahren tun?
Zunächst brauchen wir intakte Straßen und Brücken. Der Bund hat in den vergangenen Jahren in diesem Bereich viel zu wenig investiert. Hier müssen wir umsteuern. Es ist übrigens keine Frage des Antriebs, ob wir gut ausgebaute Straßen brauchen, denn auch Elektrofahrzeuge müssen problemlos von A nach B kommen. Und solange wir noch keine flächendeckende Versorgung mit Flugtaxis haben, sind Straßen unverzichtbar. Wir müssen weg von der Verteufelung des Autos. Wer im ländlichen Raum lebt, kommt um das Auto gar nicht herum. Ich empfehle den Grünen, sich einmal mit der Lebenswirklichkeit einer Familie auf dem Land auseinanderzusetzen. Wer Lebensmittel für die ganze Woche einkaufen muss, die Kinder zum Sport oder Musikunterricht bringen muss, der wird dies sicher nicht mit dem Bus machen.
Der Diesel ist seit 125 Jahren eine sehr effiziente Motorisierung. Bis heute beliebt, sicher und günstig. Wie stehen Sie dazu?
Bis 2015 hat die Bundesregierung dies ja auch noch so gesehen und die Diesel-Fahrzeuge staatlich gefördert, weil sie sparsam und emissionsarm waren – was sie heute übrigens immer noch sind. Ich halte nichts davon, jetzt plötzlich in Hysterie zu verfallen und das genaue Gegenteil zu behaupten. Der Diesel wird auf jeden Fall für eine Übergangszeit notwendig und wichtig bleiben. Ob der emissionsfreie Individualverkehr der Zukunft allerdings über Elektromobilität gewährleistet wird, weiß ich nicht. Denn die hierfür notwendigen Rohstoffe führen in anderen Teilen der Welt zu weiteren Umweltzerstörungen und Ausbeutung. Wenn wir uns vor Augen führen, dass Kinder im Kongo beim Kobaltabbau beschäftigt werden oder in Chile Seen ausgetrocknet werden, um Lithium zu gewinnen, dann wirkt sich das selbstverständlich negativ auf die Bilanz von E-Fahrzeugen aus. Ein Ignorieren dieser Tatsache halte ich für verantwortungslos.
Technikoffen in die Motorisierung der nächsten Jahrzehnte forschen – das sehen viele Wissenschaftler so. Teilen Sie diese Meinung?
Uneingeschränkt ja. Das Beispiel mit der Diesel-Förderung bis 2015 zeigt es ja: Politische Entscheidungen können sich als falsch herausstellen. Das wird umso schlimmer, je mehr wir versuchen, politisch einen Weg als den richtigen zu bestimmen. Richtig wäre es, ein Ziel zu definieren. Wie dieses Ziel erreicht wird, obliegt den Wissenschaftlern und Technikern. Politik sollte sich nicht in die technische Fortschrittsgestaltung einmischen.
Viele Länder wollen den Verbrenner verbieten. Schon bald. Ist das nicht leichtsinnig und voreilig?
Da ich leider nicht in die Zukunft schauen kann, weiß ich es nicht. Ich halte es aber nicht für vernünftig. Denn wir wissen nicht, ob der technische Fortschritt mit der politischen Zielmarke Schritt hält. Wie stillen wir den Hunger nach Kobalt oder Lithium, wenn wir alles auf die Elektromobilität setzen und nur in Deutschland in kurzer Zeit 40 Millionen E-Fahrzeuge brauchen? Und wenn ich mir vorstelle, wie ich versuche, an einem Samstagmittag in der Stadt mein Elektrofahrzeug an der E-Tankstelle aufzuladen, dann bekomme ich große Zweifel an der Durchsetzung dieser Ziele. Denn schon heute stehen wir zu bestimmten Zeiten Schlange – obwohl der Tankvorgang beim Otto- oder Dieselmotor deutlich schneller vonstatten geht.
Ist es nicht der Käufer, der am Schluss entscheidet, welchem Motor er vertraut und mit welcher Motorisierung er unterwegs sein will?
Ja, das unterscheidet die Markt- von der Planwirtschaft: Konsumentensouveränität.
Für wie sinnvoll halten Sie generelle Tempolimits auf unseren Autobahnen?
Ich halte die Debatte über das Tempolimit für völlig überzogen. Es spricht nichts dagegen, bei freier Strecke und freier Sicht auch 160 km/h und mehr zu fahren. Wir müssen aufpassen, dass wir den Menschen nicht ein Stück Freiheit nehmen, weil wir ihnen die Verantwortung nicht zutrauen. Auch das häufig hervorgebrachte Umweltargument ist nicht stichhaltig. In jedem der durchschnittlich 2.000 Staus pro Tag (!) werden sinnlos CO2 und Feinstaub in die Luft geblasen. Es wäre deutlich zielführender, wenn wir zunächst diesen Stillstand vermeiden könnten, als uns darüber Gedanken zu machen, wie wir noch langsamer ans Ziel kommen als derzeit.
40 μg/m³ Stickstoffdioxid auf der Straße in Deutschland, 104 μg/m³ in den USA und 950 μg/m³ in Produktionsstätten und Lagerhallen. Was halten Sie von den unterschiedlichen internationalen Grenzwerten?
Das sind politisch festgesetzte Werte. Es gibt allerdings gute Gründe dafür, sich die Grenzwerte in den Vereinigten Staaten genauer anzuschauen. Hier wurde in einer großen Untersuchung der höhere Grenzwert vor kurzem noch einmal bestätigt. Aber was unseren Wert von 40 μg/m³ Stickstoffdioxid auf der Straße betrifft, sollten wir uns vielleicht fragen, warum wir beim Schadstoffausstoß bei PKW realistische Messwerte und -verfahren fordern, dies bei der Exposition jedoch unterlassen. Denn klar muss sein, dass die klinisch erzielten Werte von VW auf dem Prüfstand ebenso unrealistisch sind wie die Stickstoffdioxid-Werte am Neckartor. Niemand liegt den ganzen Tag auf der Kreuzung in Auspuffnähe. Viel länger halten wir uns an weniger frequentierten Straßen oder in Gebäuden auf. Ein bisschen mehr Lebensnähe wäre bei der Grenzwertermittlung vielleicht ganz gut.
Fahren Sie gerne Auto?
Ja, und die Begeisterung hat vom ersten Tag bis heute nicht nachgelassen.
Welches Auto fahren Sie zurzeit privat?
Einen Mini Clubman.
Vielen Dank für das Interview, Herr Kubicki.