Unter dem Motto „Auch morgen noch mobil in München?“ diskutierten 4 OB-Kandidaten über zukünftige Mobilität in der Stadt
1904 meinte Kaiser Wilhelm II von seinem hohen Ross aufs niedere Volk herunterblickend: „Das Auto hat keine Zukunft. Ich setze weiter auf das Pferd.“ Pferdestärken hätte er wohl sagen sollen. Das Auto wurde Erfolgsgarant der Republik. Was bedeutet heute das Auto für die Stadt? Das wollten Mobil in Deutschland e.V. und die Taxi München eG von den vier OB-Kandidaten der Stadt wissen. Reinhard Zielinski von der Taxi München eG und Dr. Michael Haberland von Mobil in Deutschland e.V. haben ins Verkehrsforum des Deutschen Museums eingeladen und diskutierten mit CSU, SPD, FDP und Grünen: Was sind Eure Inhalte, wer ist der beste OB und die beste Partei für die schöne Stadt München, wenn es um alle Fragen rund um den Verkehr geht?
SPD-Kandidat Dieter Reiter: Er ist im Alter von 2 Jahren nach München gezogen und im Stadtteil Sendling aufgewachsen. Sein erstes Auto war ein gelber Ford Escort. Mittlerweile ist er verheiratet und hat 3 erwachsene Kinder. Der Diplomverwaltungswirt liebt die „Wiesn“ und den Kocherlball am Chinesischen Turm, spielt gerne Gitarre und hat kein eigenes Auto. Dafür borgt er sich gerne mal das Smart Cabrio seiner Frau. „Als ich vor einem Jahr an den Harras gezogen bin, einem Knotenpunkt aller möglichen öffentlichen Verkehrsmittel, habe ich mein Auto abgeschafft. Die Entscheidung gegen einen Privatwagen aber war rein wirtschaftlich. Ich bin kein Überzeugungstäter, weil ich ziemlich gerne Auto fahre.“ Was würde Dieter Reiter gerne in München verändern? „Ich möchte bezahlbare Wohnungen schaffen, vor allem für Familien.“ Was dagegen sollte so bleiben, wie es ist? „Der soziale Zusammenhalt in dieser wunderbaren Stadt.“ Was bedeutet für Sie Mobilität? „Die Münchnerinnen und Münchner sollen allen Wegen und Aktivitäten nachgehen können, die sie wollen. Dazu braucht es die richtige Mischung aus allen Mobilitätsformen. Meine ganz persönliche Priorität aber liegt im Ausbau des ÖPNV. Denn Busse, Trambahnen, U-Bahnen – alle sind oft ziemlich überfüllt. Hier müssen ganz schnell neue Kapazitäten geschaffen werden, um ihn attraktiver zu machen. Ansonsten plädiere ich für eine friedliche Koexistenz aller Verkehrsformen. Ich selbst bin beides, Rad- und Autofahrer. Und daher weiß ich, dass man – je nachdem, welches Fortbewegungsmittel man wählt, zwei Gehirnhälften besitzt. Denn radle ich, schimpfe ich über die Autofahrer. Sitze ich hinterm Steuer, nerven mich die Fahrradfahrer. Wir müssen unbedingt ein größeres Verständnis füreinander entwickeln.“
CSU-Kandidat Josef Schmid: Er ist gebürtiger Münchner, ging aber zum BWL- & Jura-Studium nach Passau. Später arbeitete er als Rechtsanwalt in München. Josef Schmid ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. Sein Auto? Auch er hat mit einem Ford Escort in rot gestartet. Heute fährt er einen VW Bully T1, machte mit ihm während des Wahlkampfs Stadtfahrten, um mit den Bewohnern ins Gespräch zu kommen. Mit wem würden Sie gerne mal zu Abend essen? „Mit dem Bürgermeister von London, weil er ein schriller Konservativer ist, von dem ich mir sicher einiges abgucken kann.“ Was möchten Sie in München anpacken? „Ich möchte Verkrustungen aufbrechen und für neues Denken sorgen.“ Was liebt er dagegen in seiner Stadt? „Das liberale Lebensgefühl.“ Was bedeutet für ihn Mobilität in München? „Ich halte die Grüne Welle auch umweltpolitisch für sehr sinnvoll. Die sollte man längst nicht mehr nur loben, sondern auch umsetzen. Hinzu kommt: Wir in München brauchen einfach mehr Raum für Verkehr. Denn die Einwohnerzahl steigt stetig. Was wiederum mehr Verkehr und auch gesteigerte Mobilitätsbedürfnisse nach sich zieht. Mein Vorschlag: Der Verkehr muss unter die Erde. Tunnel müssen geschaffen werden. Dann wird’s wieder flüssiger und grüner in der Stadt. Dann haben die Fahrradfahrer oben breitere Radwege, die Fußgänger frischere Luft. Und nicht nur der fließende, auch der stehende Verkehr sollte ein paar Etagen nach unten verlagert werden. Das bedeutet ganz konkret: Anwohnergaragen schaffen, das U-Bahn-Netz ausbauen. Ich glaube nicht, dass wir weiterkommen, wenn wir den Verkehrsraum nur umverteilen. Wir müssen im Gesamten denken.“
FDP-Kandidat Dr. Michael Mattar: Er ist in Mainz geboren, 1984 nach München gezogen. Seit 2003 arbeitet er als selbständiger Unternehmensberater. Sein erstes Auto war ein VW Käfer. Derzeit kutschiert er mit einem 124 Mercedes Cabrio durch die Gegend. Seine weiteste Reise ging nach Cuba und dort hätte er sich am liebsten mal mit Fidel Castro zusammengesetzt. Dazu kam es nicht. Doch dafür hat Michael Mattar große Pläne für München. Etwa: „Ich will die Verkehrsinfrastruktur verbessern. Wir sollten lieber in und für München Investitionen einsteuern, als das Geld in Off-Shore-Windparks irgendwo in Europa zu stecken.“ Was würden Sie in München als erstes anpacken? „Eine funktionierende grüne Welle schaffen.“ Was dagegen sollte nicht verändert werden: „Die Wiesn und der Hofgarten.“ Wie wollen Sie München mobil machen? „Ziel ist es, sich fortzubewegen und nicht im Stau zu stehen. Die Menschen sollen Spaß dabei haben und selber entscheiden dürfen, wie sie vorankommen können. Neue U-Bahn-Linien müssen entstehen, auch die Außenbezirke noch besser an die Innenstadt anbinden. Und es müssen endlich alle geplanten Tunnel am Mittleren Ring umgesetzt werden. Vor allem die Wiedervereinigung des Englischen Gartens ist ein Herzensprojekt für mich.“
Bündnis 90/Grünen-Kandidatin Sabine Nallinger: Sie ist in Stuttgart geboren, hat Stadt-, Verkehrs- und Umweltplanung studiert, ging für Praktika nach China, Indonesien und in die USA. Sie ist verheiratet und hat zwei Töchter. In der Freizeit liebt es Sabine Nallinger zu wandern, zu klettern, Mountainbike zu fahren. Außerdem spielt sie gerne Geige. Ein eigenes Auto hat sie nie besessen. Viel lieber fährt sie Taxi und Mitfahrgelegenheit. Besonders stolz ist sie auf die Mitbegründung von Stattauto. Wen würden sie gerne mal zum Abendessen treffen? „Den New Yorker Bürgermeister, denn er ist ein freidenkender Kosmopolit.“ Was sollte in München angepackt werden? „Wir müssen die Radwege und den ÖPNV ausbauen. Wir müssen zukunftsweisende Wohnquartiere bauen.“ Frau Nallinger, wie wollen Sie in Münchenfür Mobilität sorgen? Schon allein das Wort „Grüne Welle“ ist wunderschön. Warum also diese nicht endlich umsetzen? „Straßen ausbauen finde ich nicht gut, denn dann ziehen wir nur noch mehr Verkehr in die Stadt hinein. Wenn wir in einer Stadt leben, in der auch Radlfahrer und Fußgänger sich wohl fühlen wollen, dann sollten wir für mehr Lebens- und Bewegungsqualität sorgen.“
Am Ende war es ein sehr munterer Abend, an der alle Teilnehmer ihre Positionen sehr gut darstellen konnten. Die Veranstaltung im Verkehrsforum des Deutschen Museums hatte schließlich 400 Besucher und war die größte Veranstaltung zum Thema Verkehr und Mobilität, die im Vorfeld des Wahlkampfes in München stattgefunden hat. Am 16. März ist Kommunalwahl in Bayern. Es bleibt spannend.